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Kandidatenturnier, Runde 7: Nepomniachtchi und Caruana gewinnen weiter
Foto: Steve Bonhage/FIDE.

Kandidatenturnier, Runde 7: Nepomniachtchi und Caruana gewinnen weiter

chansen64
| 1 | Berichterstattung von einem Schach-Event

In der siebten Runde des Kandidatenturniers 2022 gewann Ian Nepomniachtchi bereits seine vierte Partie. Da aber auch Fabiano Caruana erneut gewinnen konnte, führt der Russe die Tabelle mit nur einem halben Punkt Vorsprung an.

Der Tabellenführer gewann gegen Richard Rapport, nachdem der Ungar von einer theoretischen Remisvariante abgewichen war, während Caruana gegen Teimour Radjabov im Mittelspiel einen Bauern gewann und diesen Vorteil im Endspiel verwandeln konnte.

So könnt Ihr das Kandidatenturnier 2022 verfolgen

Wie übertragen das Kandidatenturnier 2022 täglich ab 15.00 Uhr. Die deutschsprachige Übertragung findet Ihr auf Chess.com/TV, unserem Twitch-Kanal und auf YouTube, die englischsprachige Übertragung auf YouTube.com/ChesscomLive.

Alle Partien des Kandidatenturniers findet Ihr hier auf unserer Live Events Plattform.

Hier seht Ihr die Aufzeichnung der Übertragung der siebten Runde mit unseren Kommentatoren Steve Berger und Vincent Keymer.


Beim letzten Kandidatenturnier wurde die Aktion nach sieben Runden unterbrochen und die Spieler nach Hause geschickt, sodass der damalige Tabellenführer ein Jahr Zeit hatte, sich auf die zweite "Halbzeit" vorzubereiten. Und dieser Tabellenführer war Nepomniachtchi.

Vor dieser siebten Runde hatten die Spieler zwar kein Jahr, aber immerhin einen Tag Pause gehabt und Nepo kehrte mit derselben entschlossenen Einstellung zurück und wollte keine Gelegenheit ungenutzt lassen. 

Rapport-Nepomniachtchi 0-1

Zweifellos freute sich Nepomniachtchi über den gleichen Start wie beim Kandidatenturnier 2020/2021, als er das Turnier nach sechs Runden ebenfalls mit 4,5/6 angeführt hatte. Er hatte zwar auch ein bisschen Glück gehabt, aber im Allgemeinen hat er, ungeachtet der Kritik, die der ehemalige Weltmeister Vladimir Kramnik in einem Online-Interview an ihm und den anderen Teilnehmern geübt hat, gut gespielt.

Rapport, die Verkörperung des kreativen Schachs, hat bislang kämpferisches Schach gespielt und wurde dafür mit sechs Remis belohnt. Ziemlich ungewöhnlich für jemanden, der das Boot so sehr ins Wanken bringt, wie er.

Rapport sucht nach Inspiration. Foto: Steve Bonhage / FIDE.

In der heutigen Partie verließ sich der Russe erneute auf die russische Verteidigung. Obwohl er im Interview nach der Partie mit Danny Rensch nicht ausdrücklich bestätigen wollte, kann man davon ausgehen, dass er sich immer noch voll und ganz auf die Arbeit verlässt, die er vor dem WM-Match gegen Weltmeister Magnus Carlsen geleistet hat. Sein Spiel war blitzschnell und selbstbewusst, obwohl Rapport das eher obskure 9.Db3 anstelle einer der vier Hauptvarianten (9.Sc3, 9.Te1, 9.cxd5 und 9.Dc2) oder einige andere Optionen, die ebenfalls vorhanden waren und mehr Action versprochen hätten, gespielt hatte.

Anstatt sich um seinen b7-Bauern zu kümmern, erlaubte Nepomniachtchi der ungarischen Dame, zuerst diesen Bauern auf b7 und dann auch noch den Turm auf a8 zu fressen und spielte im Gegenzug 14...Lh3!

Die Stellung nach 14...Lh3!

Dies ist eine Einladung zu einem Remis durch ein Dauerschach auf g6 und e4 und wurde schon in einigen E-Mail-Partien auf niedrigerem Niveau gespielt..

Sicher wissend, dass er in einem kompliziertem Netz der Heimvorbereitung auf WM-Niveau gefangen war, dachte Rapport eine Weile nach, wiederholte zuerst einmal die Züge und entschied dann zu jedermanns Überraschung, dass ein Remis zwar gut, aber Schach spielen besser ist. Etwas, das Kommentator Robert Hess dazu veranlasste, zu sagen: "Deshalb sollte jeder Turnierveranstalter Rapport zu seinen Turnieren einladen." Auch wenn Rapport für seinen Einsatz nicht immer belohnt wird, fällt es schwer, dieser Aussage von Hess zu widersprechen.

Weiß ließ danach noch eine weitere Remismöglichkeit liegen und spielte stattdessen auf Sieg. Dies führte zu einer Stellung, in der er zwei Türme gegen die Dame hatte, dazu jeweils einen Springer, einen Läufer und fünf Bauern. Oberflächlich betrachtet klingt das günstig für Weiß, aber mit einem verwundbaren König ist die Gleichung nicht mehr so einfach.

Während Rapport verzweifelt nach einer Rettung sucht, macht Nepomniachtchi einen gemütlichen Spaziergang. Foto: Steve Bonhage / FIDE.

Wie einige sich erinnern werden, war die letzte Partie, in der Nepomniachtchi mit einer Dame gegen zwei Türme spielte, eine ziemlich langwierige Angelegenheit und kostete ihn am Ende die Weltmeisterschaft.

Rapports Stellung brach dann in weniger als einem Dutzend Zügen völlig zusammen. Als die Springer abgetauscht waren, entschieden der offene weiße König und der schwache h-Bauer die Partie zugunsten von Nepomniachtchi.

Anmerkungen von GM Rafael Leitao.

Ein interessanter Zufall ist, dass bei seinen Siegen in den Runden sechs und sieben Nepos h-Bauern eine entscheidende Rolle gespielt haben: Gegen Duda fungierte sein h-Bauer auf sowohl als Schutzschild als auch als Belästigung des schwarzen Königs, während Rapports Widerstand endete als es der h-Bauer nach h3 geschafft hatte.

Duda-Nakamura ½-½

Wie es bei vielen Spitzenturnieren üblich ist, beginnen die Runden häufig mit einem zeremoniellen ersten Zug eines Gastes. Obwohl Jan-Krystof Duda die Anweisung gab, 1.d4 zu spielen, zog Benedicte Westre Skog, die Organisatorin von Norway Chess, 1.e4. Der Bauer wurde aber schnell auf sein ursprüngliches Feld zurückgestellt und die Partie begann mit 1.d4.

Nakamura fand den Zug 1.e4 offensichtlich amüsant. Foto: Steve Bonhage / FIDE.

Nach dieser anfänglichen Überraschung waren die Eröffnungsentscheidungen beider Spieler ziemlich vorhersehbar. Hikaru Nakamura entschied sich wie schon einige Runden zuvor gegen Alireza Firouzja gespielt hatte und Duda reagierte darauf mit einer Variante, die er ebenfalls noch mehrere Male gespielt hatte: 4.e3 und 5.Ld3. Dann aber spielte er statt seines normalen Zuges 6.Sf3 lieber 6.Sge2 und damit eine Variante, die auch Nakamura mit Weiß spielt.

Im 11. Zug wich Nakamura von seinen vorherigen Partien mit dieser Eröffnung ab, indem er den ungewöhnlichen Zug 11...Sce7 spielte und damit versuchte, den Bauern auf d5 zu blockieren.

Als Weiß dann ein Matt auf h7 drohte, wehrte er diese Drohung mit dem sehr engagierten Zug ...f7-f5 ab, was es Weiß jedoch ermöglichte, die Bauernstruktur zu seinen Gunsten zu verändern und mit einem potenziell starken Springer gegen einen schlechten Läufer zu spielen. Hess machte sich zu diesem Zeitpunkt große Sorgen um Schwarz.

Die Stellung nach 17...Tae8

Nakamura war jedoch nicht übermäßig besorgt über diese Situation, da er nicht glaubte, dass Weiß seine gewünschte Aufstellung erreichen würde. Ob sich Nakamura hier mehr als nötig entspannte, sei dahingestellt, denn im 20. Zug spielte er das etwas ungenaue 20...Lc6 statt dem aktiveren 20...La4 und sein Zug 22...g6? war dann ein echter Fehler, der sehr kostspielig hätte werden können. 

Sie Stellung nach 22...g6?

Duda erkannte jedoch nicht, dass dies der entscheidende Moment der Partie war, und spielte einen Zug, den Nakamura später als positionellen Fehler bezeichnete: 23.b4?. Dieser Zug lässt den schwarzen Läufer aus seinem Käfig und nachdem er auf c4 gelandet war, hinderte er Weiß daran, aktiv zu werden.. 23.a4 gefolgt von 24.b3 hätte Weiß einen klaren positionellen Vorteil gegeben.

Nakamura denkt über die beste Verteidigung nach. Foto: Steve Bonhage / FIDE.

Dieser Fehler gab Nakamura Hoffnungen, möglicherweise sogar auf mehr als nur einen halben Punkt spielen zu können, aber Duda zerstörte diese Hoffnungen, indem er konsequent alles mögliche Holz hackte und so jede Chance, dass eine Glut ein Feuer entzünden könnte, im Keim erstickte.

Im 40. Zug nahm Duda das Remisgebot von Nakamura an.

Anmerkungen von GM Rafael Leitao.

Caruana-Radjabov 1-0

Während Caruana erst gestern gewonnen hat, konnte sich Radjabov zum letzten Mal 2019 über einen Sieg in einer klassischen Partie freuen. Der Ausgang der Partie sollte also eine klare Sache sein, oder? Nun, ganz so einfach war es nicht, denn Radjabov griff zu verzweifelten Maßnahmen.

Anstatt auf sein übliches solides Repertoire gegen 1.e4 zurückzugreifen, peitschte er eine Variante heraus, die Nakamura als "irgendeinen Sizilianer" bezeichnete. Die fragliche Variante ist die sogenannte O'Kelly-Variante, die durch die Züge 1.e4 c5 2.Sf3 a6 entsteht und worüber der englische IM Andrew Martin kürzlich ein Buch veröffentlicht hat (Everyman Chess 2022).

Caruana denkt nach, wie er auf Radjabovs Zug 2...a6 reagieren soll. Foto: Steve Bonhage / FIDE.

Die Hauptidee hinter dem zweiten Zug von Schwarz ist, dass 3.d4 keine gute Idee ist (obwohl es bei Spielern mit einer Wertung unter 2200 der am häufigsten gespielte Zug ist!), da der weiße Springer nach 3...cxd4 4.Sxd4 und e5 nicht nach b5 springen kann. Das ist natürlich nichts Neues für Caruana. Er entschied sich mit 3.c4 für eine der am häufigsten empfohlenen Varianten, die darauf abzielt, eine Art Maroczy-Struktur auf das Brett zu bringen, die Weiß begünstigen sollte.

Falls Martin übrigens auf eine kostenlose Werbung für sein Buch gehofft hatte, indem Radjabov seine Empfehlungen ausspielte, dann wurde er im sechsten Zug enttäuscht, denn Radjabov hämmerte das scharfe Bauernopfer 6...d5 auf das Brett (Martin empfiehlt hier den Zug 6...d6).

Das war aber nicht die letzte riskante Entscheidung von Radjabov. Anstatt das vernünftige 13...0-0 zu spielen, rochierte er stattdessen auf den Damenflügel und hier waren sich die Kommentatoren einig, dass Radjabov auf zwei Ergebnisse spielte: Niederlage oder Remis!

Als Caruana dann nicht genau nachsetzte, hatte Schwarz aufgrund der Anwesenheit von ungleichfarbigen Läufern und einem weißen Doppelbauern eigentlich ganz gute Chancen auf ein Remis.

Am Ende gewann aber einfach der Spieler mit der besseren Technik und das war der Amerikaner.

Radjabov gibt sich geschlagen. Foto: Steve Bonhage / FIDE.

"The Big Greek" hat sich diesen wichtigen Sieg von Caruana, der ihn in Schlagdistanz zu Nepomniachtchi hält, genauer angesehen:

Und Großmeister Sam Shankland ebenfalls:

Sam Shankland: Game of the Day

Die erste Hälfte des Kandidatenturniers ist in den Büchern und ich muss sagen, dass ich die siebte Runde ziemlich enttäuschend fand. Fünf Jungs sind immer noch sieglos, nur zwei Spieler können sich noch ernsthafte Hoffnungen auf den Turniersieg machen und schließlich hat es mich auch enttäuscht, dass das Eingehen von Risiken nicht belohnt wurde. Sowohl Rapport als auch Radjabov trafen in ihren Partien gegen die beiden Tabellenführer viel riskantere Entscheidungen, als ich von ihnen erwartet hätte. Aber so muss man einfach spielen, wenn man in einem Turnier zurückliegt und ganz besonders, wenn es im Grunde genommen nur darum geht, wer das Turnier gewinnt. Caissa spuckte beiden ins Gesicht und Caruana und Nepo fuhren beide mehr oder weniger ohne jeglichen Gegenverkehr auf der Siegerstraße ihrem Ziel entgegen.

Ding-Firouzja ½-½

Der Nummer zwei der Welt, Ding Liren, hatte zweifellos gehofft, im Turnier eine größere Rolle zu spielen, als dies bisher der Fall war. Aber wie beim vorherigen Kandidatenturnier kämpft er darum, den Weg zu den vollen Punkten zu finden. Seine Kämpfe waren jedoch nichts im Vergleich zu denen von Firouzja, den die meisten Leute, einschließlich des Weltmeisters, vor dem Turnier als Favoriten angesehen hatten. Nach sechs Runden lag er allerdings auf dem letzten Platz und traf mit Schwarz auf Ding - ein Sieg schien keine vernünftige Erwartung zu sein.

Dass Ding dann eine weitere englische Eröffnung spielte, hat die Stimmung von Firouzja sicher nicht verbessert. 

Der vermeintliche Kronprinz Firouzja hatte erneut Probleme. Foto: Steve Bonhage / FIDE.

Der französisch-iranische Großmeister versuchte, die Dinge mit einer ungewöhnlichen Variante aufzufrischen, endete aber trotzdem in einer ruhigen Stellung, in der nur Weiß die besseren Chancen haben konnte. Trotzdem drängte Schwarz weiter auf die Initiative und begnügte sich nicht damit, lediglich den Ausgleich zu suchen.

Ding spielte jedoch vorsichtiges Schach, tauschte ab, wenn es sinnvoll war, und vermied Abtäusche, wenn sie weniger interessant waren. Trotzdem fanden aber die meisten Figuren neben dem Brett ein neues Zuhause.

Obwohl die Partie 54 Züge dauerte, schien der Bewertungsbalken in der Mitte blockiert zu sein, was bedeutet, dass die Partie ein sehr korrektes Remis war. Nicht das, was irgendeinen der Spieler weiterbringt, aber so ist Schach nun einmal.

Anmerkungen von GM Rafael Leitao.

Die Tabelle nach 7 von 14 Runden

2022 FIDE Candidates Tournament Chess

Die Paarungen der achten Runde

Runde 8 26. Juni 2022 15:00 Uhr
Rapport - Duda
Nepomniachtchi - Ding
Nakamura - Caruana
Firouzja - Radjabov


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